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Energie für 500 Millionen Menschen

Europa soll 2050 klimaneutral sein – so der Wille der EU-Kommission. Die Übertragungsnetzbetreiber in Europa wollen dabei helfen, den „Green Deal“ umzusetzen, sagt Joachim Vanzetta, Leiter System-führung bei Amprion und Chair of the Board des Branchenverbandes ENTSO-E.

Klimaneutral bis 2050 – Europa hat sich einiges vorgenommen. Herr Vanzetta, was sagen die ­europäischen Übertragungsnetzbetreiber dazu?

Sie unterstützen das Vorhaben – und freuen sich darauf, mit ihrer Expertise dazu beizutragen, die zukünftige Energiewelt in Europa zu gestalten. ENTSO-E – das sind 42 Übertragungsnetzbetreiber aus 35 Ländern. Wir gemeinsam tragen die Verantwortung für ein sicheres Stromnetz, das mehr als 500 Millionen Menschen versorgt.

Inwiefern betrifft der Green Deal der EU-Kommission die Übertragungsnetzbetreiber?

Der Green Deal wird die Transformation des europäischen Energiesystems beschleunigen, die sich unmittelbar auf die Stromnetze auswirkt. Zum einen wird die Dekarbonisierung voranschreiten, also der Abschied von fossilen Energieträgern wie Braun- und Steinkohle. Erneuerbare Energien werden mehr und mehr ihren Platz einnehmen. Damit schwindet im System leider auch Erzeugungsleistung, die gesichert zur Verfügung steht – und wird ersetzt durch Leistung, die wetterbedingt stark schwankt. Weil im Übertragungsnetz Erzeugung und Verbrauch immer im Gleichgewicht sein müssen, um das Netz stabil zu halten, wird diese Aufgabe für die Übertragungsnetzbetreiber sehr viel anspruchsvoller. Gleichwohl werden alle großen Industrienationen in Europa diesen Weg gehen. Die meisten verzichten dabei allerdings nicht auf die Kernkraft als zuverlässige Energiequelle.

Sie spielen auf Deutschland an, das sich sowohl aus der Kernkraft als auch aus der Kohleverstromung verabschieden wird.

Mit disem doppelten Ausstieg nimmt Deutschland in Europa eine Sonderrolle ein. Die Herausforderungen für das deutsche Energiesystem werden dadurch nicht kleiner. Darauf müssen wir uns einstellen und Lösungen entwickeln, die Klimaschutz und Systemsicherheit verbinden.

„Der Green Deal wird die Transformation des euro­päischen Energiesystems beschleunigen.“
JOACHIM VANZETTA

Wir sprachen über den Green Deal und seine Folgen für das Energiesystem. Welche Entwicklungen wird er neben der Dekarbonisierung beschleunigen?

Der Green Deal wird darüber hinaus zu einer weiteren Elek­trifizierung von Wirtschaft und Gesellschaft führen. Wir werden zum Beispiel für Bereiche wie Mobilität und Wärme mehr Strom einsetzen, weil er klimaneutral erzeugt werden kann. Dafür müssen wir die Stromnetze ausbauen, neue Speichertechnologien entwickeln sowie die Digitalisierung der Sektoren vorantreiben. Die Elektrifizierung hat aber Grenzen. Wir werden europaweit nur einen Teil des gesamten Energiebedarfs durch Strom decken können.

Warum ist nicht mehr Elektrifizierung möglich?

Viele energie­intensive Pro­zesse funktionieren einfach nicht mit Strom, beispielsweise im Schiffsverkehr oder in der Industrie. Außerdem lässt sich Strom in den benötigten Mengen kaum speichern. Das wäre aber unumgänglich, da erneuerbare Energien nicht bedarfsgerecht Strom erzeugen, sondern nur dann, wenn gerade der Wind weht und die Sonne scheint. Daher werden wir in Europa zusätzlich beginnen, grünen Strom in Wasserstoff umzuwandeln. Und das immer dann, wenn dieser Strom wetterbedingt im Überfluss zur Verfügung steht. Außerdem lassen sich mit Hilfe von Wasserstoff zum Beispiel Wärme und Dampf für industrielle Prozesse erzeugen. Experten sprechen hier von Sektorenkopplung, weil die Sektoren Strom und Wärme auf diese Weise verbunden werden. Ohne Sektorenkopplung in großem Stil wird der Green Deal nicht gelingen. Diese Power-to-X-Technologien müssen aber noch einige Entwicklungen durchlaufen, bis wir sie in industriellem Maßstab einsetzen können. Je eher wir mit diesen Entwicklungen beginnen, desto eher stehen technische Lösungen bereit.

Interview HEIMO FISCHER
Foto RAPHAEL FOIDL