Wind und Wellen trotzen

Damit erneuerbare Energien zu den Menschen kommen, bindet Amprion Windparks in der Nordsee an das Netz an. Für den Stromtransport über weite Strecken sind die elektrotechnischen Anlagen und die Nebensysteme in Plattformen auf hoher See zu installieren. Sie müssen nicht nur Stürmen standhalten.

Die Nordsee in der Deutschen Bucht: An normalen Tagen sind die Wellen fünf bis zehn Meter hoch. „Jahrhundertwellen“ – Brecher, die statistisch ein Mal alle 100 Jahre vorkommen – erreichen bis zu 19 Meter Höhe. „Wir stellen uns auf Jahrtausendwellen ein“, sagt Fred Wegener, „mit einer Höhe von bis zu 20 Metern.“ Der 54-jährige Maschinenbauingenieur ist für die Technik eines von zwei Projekten zuständig, die Windstrom von der Nordsee in das Stromnetz an Land einspeisen. Experten sprechen von „Netzanbindungssystemen“.

Hunderte Kilometer Stromkabel müssen dafür verlegt werden – auch im Nordseeboden. Über diese Kabel lässt sich der Strom nur als Gleichstrom transportieren – die Windparks aber erzeugen Wechselstrom. Spezielle Anlagen wandeln ihn deshalb noch auf See in Gleichstrom um. Diese „Konverter“, die zum Schutz in eine Stahlhülle – die sogenannte Topside – eingebaut werden, stehen auf gigantischen Fundamenten direkt neben den Offshore-Windparks – und müssen auch Jahrtausendwellen trotzen.

„Jeder Kubikmeter Raum mehr bedeutet nicht nur zusätzliches Gewicht, sondern auch höhere Kosten.“

Fred Wegener

Technischer Gesamtprojektleiter DolWin4

Das Planungsteam bei Amprion hat deshalb alle Hände voll zu tun. „Die besonderen Bedingungen auf hoher See machen die Planung um ein Vielfaches anspruchsvoller als an Land“, sagt Fred Wegener. Mehr als 60 Frauen und Männer an den Amprion-Standorten Dortmund und Hamburg arbeiten daran, dass 2028 und 2029 die ersten Konverterplattformen von Amprion in Betrieb gehen – als Teil der Netzanbindungssysteme „DolWin4“ und „BorWin4“. Sie tragen dazu bei, Deutschlands Energieversorgung klimaverträglicher zu machen. Beide Systeme zusammen können eine Leistung von 1.800 Megawatt übertragen. Das entspricht dem Bedarf einer Großstadt wie Hamburg. Die Systeme fristgerecht fertigzustellen, hat für die Planer oberste Priorität. Die in den Windparks erzeugte Energie soll wie verabredet ins Netz eingespeist werden.

Technische und logistische Herausforderungen sind bei der Planung der Konverterplattformen zu meistern. So anspruchsvoll die Planungsaufgaben auch sind – Fred Wegener nimmt die Herausforderungen mit norddeutscher Gelassenheit. Den Ingenieur bringe so schnell nichts aus der Ruhe, sagen Kollegen. Vermutlich auch, weil er sich mit Konverterplattformen auskennt: Bevor der Maschinenbauingenieur zu Amprion kam, hat er bereits für eine Werft Plattformen geplant, gebaut und ihre Installation beaufsichtigt. „Bei Amprion kann ich meine Erfahrungen nutzen, um den Offshore-Bereich voranzubringen“, sagt Fred Wegener. „DolWin4 und BorWin4 werden nicht die letzten Netzanbindungssysteme von Amprion sein.“

GIGANTISCHE DIMENSIONEN

Die Konverterplattformen für „DolWin4“ und „BorWin4“ werden etwa 60 und 125 Kilometer vom Festland entfernt auf hoher See errichtet. Sie sind bis zu 70 Meter lang, 35 Meter breit und 35 Meter hoch. Die Grundfläche entspricht der Fläche von zehn Tennisfeldern. Allein die Unterstruktur der Plattform – das sogenannte Jacket – wiegt 5.000 Tonnen. Das ist halb so viel wie der Eifelturm in Paris. Die Metallpfähle der Plattformen werden 60 Meter tief im Meeresboden verankert. Wo genau dies geschieht, ist von den Bodenverhältnissen vor Ort abhängig. „Wir wollen zum Beispiel verhindern, dass wir bei der Rammung der Pfähle auf Findlinge, also sehr große Steine, stoßen“, sagt Wegener. Dafür werden geologische Sachverständige den Untergrund durch Bohrungen prüfen.

60
Meter tief werden die Pfähle im Meeresboden verankert.
60
Meter tief werden die Pfähle im Meeresboden verankert.

GIGANTISCHE DIMENSIONEN

Die Konverterplattformen für „DolWin4“ und „BorWin4“ werden etwa 60 und 125 Kilometer vom Festland entfernt auf hoher See errichtet. Sie sind bis zu 70 Meter lang, 35 Meter breit und 35 Meter hoch. Die Grundfläche entspricht der Fläche von zehn Tennisfeldern. Allein die Unterstruktur der Plattform – das sogenannte Jacket – wiegt 5.000 Tonnen. Das ist halb so viel wie der Eifelturm in Paris. Die Metallpfähle der Plattformen werden 60 Meter tief im Meeresboden verankert. Wo genau dies geschieht, ist von den Bodenverhältnissen vor Ort abhängig. „Wir wollen zum Beispiel verhindern, dass wir bei der Rammung der Pfähle auf Findlinge, also sehr große Steine, stoßen“, sagt Wegener. Dafür werden geologische Sachverständige den Untergrund durch Bohrungen prüfen.

45
Minuten braucht der Hubschrauber bis zur Plattform.

Die Konverterplattformen liegen 60 und 125 Kilometer vom Festland entfernt. Jeder Transport muss genau geplant werden.

WEIT DRAUSSEN IM MEER

Die Lage auf hoher See bedeutet für die Planerinnen und Planer eine logistische Herausforderung. Denn die Plattformen werden an Land gefertigt und dann erst zu ihrem Einsatzort verschifft. Je kleiner und leichter sie sind, desto einfacher wird der Transport. „Jeder Kubikmeter Raum mehr bedeutet nicht nur zusätzliches Gewicht, sondern auch höhere Kosten“, erklärt Wegener. Einzelne Bauteile dürfen eine bestimmte Größe und ein gewisses Gewicht nicht überschreiten, da Schiffe und Kräne sie sonst nicht mehr transportieren können. „Fehlt beim Aufbau ein bestimmtes Werkzeug, verursacht das direkt ein Problem“, sagt der technische Gesamtprojektleiter. Denn es muss mit dem Hubschrauber oder – bei schlechtem Flugwetter – mit dem Schiff herangeschafft werden. „Daher müssen wir die Installation minutiös planen.“ Um lange Transferzeiten zu vermeiden, sollen die Monteure in Wohnplattformen – sogenannten Jack-up-Bargen – in der Nordsee übernachten.

Die Konverterplattformen liegen 60 und 125 Kilometer vom Festland entfernt. Jeder Transport muss genau geplant werden.

MATERIAL IM DAUERSTRESS

Die Bedingungen auf hoher See setzen das Material der Plattformen unter Dauerstress. Die Stärke der Wellen schwankt stark, ebenso ändern sich Wellenrichtung und Strömung permanent. Das Amprion-Team rechnet zudem mit stürmischen Böen von bis zu 180 Stundenkilometern, die auf das Material drücken. Und dann ist da das Meersalz. Es greift das Metall der Plattformen an. Damit sie 32 Jahre überdauern können – von dieser Lebensdauer gehen die Planerinnen und Planer aus –, braucht es ein ausgeklügeltes Beschichtungssystem. Denn anders als Schiffe können Plattformen für einen neuen Anstrich nicht in den Hafen geholt werden. „Leider gibt es in Sachen Korrosionsschutz für diese lange Dauer bisher wenige Erfahrungswerte“, sagt Fred Wegener. „Wir vermeiden bei der Planung daher große Flächen und halten die Zahl der Anbauteile so gering wie möglich. Außerdem ist es wichtig, dass die Plattform bei Bau oder Wartung nicht beschädigt wird.“

180
Mit bis zu 180 Stundenkilometern drückt der Wind bei Orkan auf Rotoren und Konverterplattformen. An ruhigen Tagen kaum vorstellbar.

SCHUTZ DER NATUR

Neben den technischen und logistischen Herausforderungen müssen die Planerinnen und Planer auch berücksichtigen, dass die Konverterplattformen mitten in einem einzigartigen Naturraum stehen. Amprion versteht sich als nachhaltiges Unternehmen: Der Schutz von Mensch und Natur hat für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen hohen Stellenwert. „Wir folgen daher jederzeit den Umweltauflagen und gehen teilweise sogar darüber hinaus“, sagt Wegener. So müssen beispielsweise die in der Nordsee lebenden Schweinswale mit ihrem sensiblen Gehör vor Schall geschützt werden. Das geschieht durch besondere Maßnahmen bei der Rammung der Plattformpfähle.

Die Nordsee ist ein einzigartiger Naturraum. Amprion nimmt Rücksicht auch auf die dort lebenden Schweinswale.

SCHUTZ DER NATUR

Neben den technischen und logistischen Herausforderungen müssen die Planerinnen und Planer auch berücksichtigen, dass die Konverterplattformen mitten in einem einzigartigen Naturraum stehen. Amprion versteht sich als nachhaltiges Unternehmen: Der Schutz von Mensch und Natur hat für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen hohen Stellenwert. „Wir folgen daher jederzeit den Umweltauflagen und gehen teilweise sogar darüber hinaus“, sagt Wegener. So müssen beispielsweise die in der Nordsee lebenden Schweinswale mit ihrem sensiblen Gehör vor Schall geschützt werden. Das geschieht durch besondere Maßnahmen bei der Rammung der Plattformpfähle.

EMPFINDLICHE ELEKTRONIK

Jeder Konverter besteht aus tausenden von Transistoren, Dioden, Kondensatoren und Spulen. „Die Elektronik ist sehr empfindlich“, sagt Projektleiter Wegener. Die Anlagen müssen so hoch liegen, dass auch Jahrtausendwellen sie nicht erreichen. Spezielle Lüftungsanlagen laufen Tag und Nacht, um die Meeresluft zu entfeuchten, zu reinigen und zu entsalzen.

Doch selbst das robusteste Bauteil wird einmal kaputtgehen und muss ersetzt werden. Andere Komponenten sind regelmäßig zu warten. Das kann nur vor Ort geschehen. Darauf muss das Amprion-Team achten, wenn es die Plattformen entwirft. Dabei ist auch das Gewicht möglicher Komponenten zu berücksichtigen: „Das ist wie Tetris-Spielen“, sagt Wegener. „Wir spielen tausend Austauschvarianten durch und stehen dabei immer vor der Herausforderung, den Schwerpunkt der Plattform mittig zu halten. Denn nur dann steht sie stabil.“

„Wir stehen immer wieder vor der Heraus­for­derung, den Schwerpunkt der Plattform mittig zu halten.“

Fred Wegener

„Wir stehen immer wieder vor der Heraus­for­derung, den Schwerpunkt der Plattform mittig zu halten.“

Fred Wegener

Was leisten Konverter?

Konverter sind die Herzstücke eines Offshore-Netzanbindungssystems. Windkraftanlagen auf hoher See erzeugen Wechselstrom. Konverter wandeln den Wechselstrom der Windparks vor Ort in Gleichstrom um. Die Technik der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung ermöglicht es, große Energiemengen mit sehr geringen Verlusten über Kabel und große Entfernungen zu transportieren. So kann der Strom die lange Reise zum Festland antreten. Dort, wo das Netzanbindungssystem mit dem Stromnetz an Land verbunden wird, ist ein weiterer Konverter nötig: Er wandelt den Gleichstrom wieder in Wechselstrom um. Denn das deutsche Stromnetz arbeitet überwiegend mit Wechselstromtechnik.

TextChristina Schneider
Fotos123Trimm, iStock